5. SONNTAG in der Fastenzeit
Evangelium nach Johannes (11,3-7.17.20-27.33b-45)
„Nur wer sich mit seinem eigenen Tod auseinandergesetzt hat, findet zum echten Leben.“ Ein 85-jähriger Mann, den nahen Tod vor Augen, überlegt:
„Wenn ich noch einmal zu leben hätte, dann würde ich versuchen, nicht so schrecklich perfekt sein zu wollen; dann würde ich mich mehr entspannen und vieles nicht mehr so ernst nehmen; dann würde ich ausgelassener und verrückter sein; ich würde mir nicht mehr so viele Sorgen machen um mein Ansehen; dann würde ich mehr reisen, mehr Berge besteigen, mehr Flüsse durchschwimmen und mehr Sonnenuntergänge beobachten; dann würde ich früher im Frühjahr und später im Herbst barfuß gehen; dann würde ich mehr Blumen riechen, mehr Kinder umarmen und mehr Menschen sagen, dass ich sie liebe. Wenn ich noch einmal zu leben hätte, aber ich habe es nicht...“ Voller Wehmut entdeckt er kurz vor seinem Tod, welche wirklich wichtigen Dinge er im Leben versäumt hat. Aber es ist zu spät, meint er.
Ein anderer überlegt: „Was ist mein Leben wirklich wert, wenn mit meinem Tod alles aus ist? Wofür habe ich dann gelebt? Und ist all mein Bemühen dann nicht umsonst? Ist das Leben dann nicht ein Witz, viel Lärm um nichts?“ Das sind Lebensfragen, immer schon gestellt, immer aufs Neue gestellt. Religionen versuchen diese Fragen zu beantworten. Auch das Christentum, die Bibel, Jesus. Die einzig mögliche Antwort liegt bei Gott.
In seinem Evangelium will Johannes beschreiben, wie es ist, wenn Gott im Menschenleben wirksam wird, wenn Gott in und durch Jesus handelt. An den letzten Sonntagen haben wir z.B. gehört, wie Jesus den Lebensdurst dieser Frau beim Brunnen stillen will; wie er nicht nur die physischen Augen des Blindgeborenen öffnet, sondern ihn auch von seiner geistigen Blindheit befreit. Die Erzählung von Lazarus im heutigen Evangelium ist eine Art Höhepunkt des Wirkens Gottes in Jesus: Gott zeigt sich als Gott des Lebens.
Johannes will mit dieser Lazarus-Erzählung veranschaulichen: Diese Krankheit führt nicht wirklich zum Tod. An ihr zeigt Gott seine Leben schenkende Macht. Er hat Macht auch über den Tod. Und Jesus sagt dann: „Jeder, der an mich - der ich im Namen und im Auftrag Gottes auftrete und handle - glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist.“ Der Tod hat nicht das letzte Wort! Unser Leben hat Zukunft.
Im Fall des Lazarus führt Gott, durch Jesus, den Lazarus zurück in sein bisheriges Leben. Er wird dann später noch einmal sterben. Es wird aber noch mehr kommen (Wir werden das in den kommenden Wochen wiederholt hören): Gott wird Jesus selbst nicht in sein irdisches Leben zurückführen, sondern ihm eine neue Existenz geben, was dann mit dem Begriff „Auferstehung“ umschrieben wird. So ist Gott! Glaube ich an ihn? Mute ich ihm diese Macht über den Tod zu? Ist mein Vertrauen zu ihm so groß, dass ich mit diesem (meine Phantasie übersteigendem) Wirken Gottes an mich rechne? Wir sind endlich. Wir sind vergänglich. Unsere Lebenszeit ist auf einige Jahre beschränkt. Und trotzdem wird unser Leben unvergänglich durch die schöpferische, Leben spendende Kraft Gottes. Das gibt Hoffnung, das lässt leben, da entsteht tiefe Lebensfreude.
Da fand ich folgende Gedanken, die das Lebensgefühl, das durch einen Glauben an den Leben spendenden Gott entsteht, schön umschreiben: „Gott hat die Auferstehung in jedes Blatt und in jeden Baum gelegt. Wenn du dieser Tage durch die Natur gehst, kannst du die Auferstehung der Natur erleben. Auch du brauchst die absolute Gewissheit über deine Auferstehung. Wir brauchen sozusagen immer wieder einen neuen Frühling, ein Zeichen der Kraft Gottes, damit wir in der Gewissheit leben, dass er uns auferweckt. Lass diesen "Frühling" in dein Herz einziehen. Steh auf aus deiner Mutlosigkeit! Steh auf von deiner Lebensmüdigkeit, die dir durch Sorgen und Kummer immer wieder die Freude stehlen möchte! Schau hin dieser Tage, so wie jetzt alles aufersteht, so sollst du auferstehen. Du sollst dich erfreuen über jeden neuen Morgen voller Sonne, voll fröhlichem Vogelgezwitscher, voller duftender wunderschöner Blumen, die dich in einer Farbenpracht und Vielfalt empfängt. Wach auf aus deinem Winterschlaf! Steh auf! Gott schenkt dir die Auferstehung. Gott liebt dich.“